Das Befilzen von Stühlen und Hockern macht süchtig.
Heute stelle ich Euch einen Stuhl vor, der vorm Sperrmüll gerettet und in mühevoller Arbeit von meiner Mutter vor Jahren hergerichtet wurde. Seltsamerweise hatte er noch kein Filzkissen. Das änderte sich jetzt. Offenbar noch immer inspiriert von meinem Nordseeurlaub, versuchte ich eine Art Landschaft zu zaubern. Zuerst sollte es das Meer sein, aber ich wollte oben unbedingt etwas Weißes haben, damit das Kissen mit dem Stuhl eine Einheit bildet (Hierbei handelt es sich nicht um einen Polsterstuhl, sondern das Sitzkissen liegt lose auf und ist mit Schnüren an der Lehne befestigt.).
Ich entschied mich für einen weiß-grün Kontrast und wollte das Schilfgras am Wattenmeer nachempfinden. Viel weiße Wolle hatte ich nicht mehr im Bestand, also improvisierte ich:
- zwei Lagen dicker weißer Vorfilz
- eine Lage Seidenchiffon zur Stabilisation
- eine Lage lachsfarbene Vlieswolle.
Die weiße Seite würde später oben, die lachsfarbene unten liegen. Dies durchnässte ich und filzte alles an.
Für den unteren Teil der Landschaft verwendete ich verschiedene Grüntöne in Vliesqualität. Auch diese Wolle wurde angefilzt. Für die Gräser und Schilfpflanzen musste Kammzug herhalten. Eine bestimmte Technik hat sich bewährt: Man nimmt eine dünne Strähne in der gewünschten Länge und legt sie auf dem oberen, nassen Teil des Filzstücks.* Mit der linken Hand fasst man das Ende des Schilfes und zieht, während man mit dem rechten Zeigefinger den Schilf entlangfährt, sodass er sich glättet und dünn wird. Vor allem auf eine schöne Spitze kommt es an, die gleichmäßig ausfläuft. Die Schilfsträhne legte ich an die entsprechende Stelle. Später kaschierte ich das untere Ende mit etwas Vlieswolle.
Ist man zufrieden mit dem „Bild“, geht der normale Filzprozess los: mit Fliegengitter abdecken, anfilzen, umdrehen, die Rückseite bearbeiten, bei einer gewissen Festigkeit von allen Seiten rollen etc..
Ist das Filzstück fertig, ausgespühlt und mit Essigessenz neutralisiert, folgt nach dem Antrocknen meine Lieblingsbeschäftigung: Bügeln. Sie ist ähnlich meditativ wie das Filzen selbst. Allerdings beschränkt sich diese Vorliebe ausschließlich auf Gefilztes. Die „Filzfalten“ (s. o. im Foto) mögen zwar manchmal recht attraktiv sein, aber würden meine Vorstellung eines Sitzkissens stören.
Mit einer Doppelseite Zeitungspapier nahm ich die Form des Sitzes vom Stuhl, als Schnittvorlage. Geschnitten wird erst, wenn das Filzstück getrocknet ist.
In der Zwischenzeit kümmerte ich mich um die Schnüre, mit denen ich das Sitzkissen an der Stuhllehne befestigen wollte. Ein ca. 50 cm langer Vliesstrang in grün (gern hätte ich weiß genommen, aber das war leider nicht im Bestand) wird geteilt und auf der Unterlage gerollt. Die trockenen Schnüre nähte ich an das Sitzkissen. Die elegantere Version wäre gewesen, die Schnüre filzend in das Sitzkissen zu integrieren, aber dann hätte das Sitzkissen von vornherein die richtige Form und Größe haben müssen…
So sieht das Schilffilzkissen aus:
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*Hier wählte ich den weißen Teil. Man kann auch ein nasses Handtuch nehmen und neben die Filzarbeit legen, aber mit „meiner“ Methode kam ich gut zurecht und das Filzstück leidet nicht, weil die Schilfsträhne gleich wieder abgenommen und anderweitig platziert wird.
Liebe Silke,
ein wunderschöner Filz ist das geworden. Die Nordseedünen mit Schilf, das Weiß vom Stuhl und die tolle Filzqualität sind ganz fein.
Ein Hingucker , naja Draufsitzer – nur mit Sonntagskleid 🙂 !
Auch der Klavierhocker ist toll ! So Möbelstücke mit Geschichte dürfen nicht auf den Müll, sie haben ein zweites Leben verdient !
Herzliche Grüße,
Angela